Einblicke in die Ausstellung

Allesdinge – Einführung

von Dr. Monika Maier-Speicher

Anette Riebel-Mehne – Allesdinge
27. März bis 24. April 2021
GEDOK-Galerie Heidelberg

Die großformatigen Fotografien von Anette Riebel-Mehne zeigen alltägliche, oft winzige und banale Dinge wie Samenstände von Wildpflanzen, in Streifen zerschnittene Wellpappe oder Plastikfolie oder Teile einer Einwegflasche. Einige Objekte erfahren eine Bearbeitung mit Tusche oder Wachs. Die starke Vergrößerung macht interessante Strukturen sichtbar und es kommt zur Verfremdung. Durch gezielte Einstellungen von Brennweite und Blende ergibt sich zudem ein überraschender Kontext: Der Tiefenschärfebereich ist relativ eng, sodass nur ein bestimmter Bereich scharf gezeichnet ist, der den Blick des Betrachters anzieht. Die Tiefe des Raumes verdämmert im Unschärfebereich und lässt keine Rückschlüsse auf die Größe der Dinge zu, da die räumliche Relation fehlt. Beim konzentrierten Sehen verengt sich der Blickwinkel auf das Wesentliche, das Umfeld wird ausgeblendet. Dies alles und die Präsentation einzelner Dinge oder Gruppen von gleichartigen führt zur Monumentalisierung. Die strenge Komposition mit der betonten Mitte und die groß ins Format gesetzten Objekte unterstreichen ihre Relevanz. Sie scheinen völlig losgelöst von ihrer ursprünglichen Bedeutung und Funktion eine neue Stellung in der Welt gefunden zu haben. So stellt sich bei den sich überkreuzenden schmalen Streifen aus Wellpappe beinahe der Anschein von organischem Leben ein. Wie auf Spinnenbeinen stelzen sie durch den nicht näher definierten Raum. Der transparente Boden einer blauen Wasserflasche ergänzt sich mit seinem Schatten zu einem zarten und fragilen vogelähnlichen Gebilde, das seine Schwingen weit ausgebreitet hat. Selbst die mit Schnur zusammengehaltene Schachtel mit geöffnetem Deckel scheint sich zu bewegen. Dieser Eindruck wird durch die serielle Arbeit mit dem Blick aus unterschiedlichen Perspektiven noch unterstrichen.

Neben der Fotografie entstehen Videos von Aktionen mit Objekten, die sich durch die Behandlung mit Wachs oder Tusche verändern oder Spuren hinterlassen. Der Einmalhandschuh oder die Verpackung wird langsam mit flüssigem Wachs gefüllt, wird dadurch prall und beginnt seine „Finger“ wie Beine zu bewegen. Das Endstadium der Bewegung zeigt nun die erstarrte Form und wird von der Künstlerin fotografisch dokumentiert. Auch die Tuschespur auf einem weißen Blatt ist das Endergebnis einer solchen Performance. Dazu wurde ein aufgefalteter Teebeutel in Tusche getaucht und sehr langsam über das weiße Papier gezogen, während die Kamera filmt. Hinter dem Bild steckt also das eigentliche Ansinnen der Künstlerin: die Visualisierung des künstlerischen Prozesses an sich. Im Gegensatz zur Fotografie, die einen zeitlichen Punkt festhält, zeigt das Video einen begrenzten Zeitraum. Voraus geht immer die Erarbeitung eines Konzeptes, welche das Arrangement und die Abfolge der Bewegungen ebenso beinhaltet wie die Lichteinstellung. Nicht planbar sind die Ergebnisse und überraschen immer wieder durch neue Strukturen und Veränderungen der verwendeten Materialien. Auch die Installation „Die fleißigen Hände“ ist das Endprodukt einer Zeitaktion. Mit dem Tuch nimmt Riebel-Mehne direkt Bezug auf den Ort der Ausstellung. Hier war eine Wäscherei, in welcher Frauen ihre Arbeit verrichteten. Das Textfragment der Cyanotypie bezieht sich auf die Rolle der Frau in Schillers „Das Lied von der Glocke“: „Und drinnen waltet / Die züchtige Hausfrau, / [ …] / Und reget ohn’ Ende /  Die fleißigen Hände, / Und mehrt den Gewinn / Mit ordnendem Sinn,[ …].

Auch wenn die Fotografien und Videos von Anette Riebel-Mehne an das konkret Vorfindbare gebunden sind, reproduzieren sie die Wirklichkeit nicht eins zu eins. Vielmehr produzieren sie eine andere neue Wirklichkeit, die die Wahrnehmung des Betrachters durch ihre Intensität verändern. Sie wird durch vorher gefällte Entscheidungen und Maßnahmen des Konzeptes festgelegt. Ihre ästhetische Qualität besteht in dem Gestus des Zeigens von unentdeckten und deshalb unbeachteten Zuständen und Vorgängen.

Aufbau der Ausstellung

Allesdinge

Allesdinge-Begrüßung von Christel Fahrig-Holm

Einblicke in die Ausstellung
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